Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ist am 1. 07.2008 in Kraft getreten. Es sieht Neuregelungen im Bereich der Rechtsberatung vor.
Es bleibt zwar auch in Zukunft bei dem Grundsatz, dass die Vertretung vor Gericht ebenso wie die umfassende außergerichtliche Beratung in die Hände der Anwältinnen und Anwälte gehört. Öffnungen sieht das RDG gegenüber dem geltenden Rechtsberatungsgesetz jedoch bei der unentgeltlichen, altruistischen Rechtsberatung vor, die grundsätzlich freigegeben wird. Für die Rechtsberatung im Familien- und Freundeskreis gelten dabei keinerlei gesetzlichen Vorgaben; karitative Einrichtungen, Verbraucherberatungsstellen oder Mieterbund müssen gewährleisten, dass sie Rechtsdienstleistungen nur durch oder unter Anleitung eines Volljuristen erbringen.
Auch Nichtanwälte dürfen künftig im Zusammenhang mit einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit juristische Nebenleistungen erbringen. So dürfen zum Beispiel Architekten im Rahmen von Planungsleistungen ihre Auftraggeber bei damit zusammenhängenden baurechtlichen Fragen beraten.
Die Eckpunkte des neuen RDG im Einzelnen:
1. Rechtsberatungserlaubnis
Wer umfassend rechtlich beraten will, muss Volljurist sein – d. h. er muss beide juristischen Staatsexamen bestanden haben. Darüber hinaus muss er als Rechtsanwalt zugelassen sein.
Dem Anliegen der Diplomjuristen, die an den Fachhochschulen ursprünglich mit dem Ziel einer abhängigen Beschäftigung in Verwaltung oder Wirtschaft ausgebildet wurden, auch selbständig tätig werden zu können, trägt das Gesetz allerdings in gewissem Umfang Rechnung. Durch die Neuausrichtung des Begriffs der Rechtsdienstleistung und die Erweiterung der zulässigen Nebenleistungen gibt es auch für Diplomjuristen ein neues Betätigungsfeld.
2. Das RDG gilt nur für den außergerichtlichen Bereich und reglementiert nur noch Fälle echter Rechtsanwendung
Das bislang geltende Rechtsberatungsgesetz unterstellte nach seinem Wortlaut jede Erledigung fremder Rechtsangelegenheiten dem gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt. Das führte dazu, dass all diese Tätigkeiten grundsätzlich nur durch Rechtsanwälte oder durch andere Personen mit einer besonderen Erlaubnis zur Rechtsberatung erbracht werden durften. Das alte Gesetz verwendete daneben auch die Begriffe Rechtsberatung, Rechtsbetreuung und Rechtsbesorgung, ohne diese Begriffe näher einzugrenzen. Das RDG ersetzt diese Begriffsvielfalt durch den einheitlichen, in § 2 Abs. 1 RDG definierten Begriff der Rechtsdienstleistung:
Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind nur noch die Fälle echter Rechtsanwendung allein dem Anwalt vorbehalten. Tätigkeiten, die sich im Auffinden, der Lektüre, der Wiedergabe und der bloßen schematischen Anwendung von Rechtsnormen erschöpfen, sollen dagegen keine Rechtsdienstleistungen sein. Dies betrifft etwa
* die allgemeine Aufklärung über rechtliche Hintergründe
* die Geltendmachung unstreitiger Ansprüche
* die Mitwirkung bei einem Vertragsschluss oder einer Vertragskündigung
Jedoch liegt eine Rechtsdienstleistung nicht erst dann vor, wenn eine umfassende oder besonders tiefgehende juristische Prüfung erforderlich wird. Bereits die juristische Prüfung einfacher Sachverhalte eröffnet den Anwendungsbereich des RDG. In diesen Fällen kann die Rechtsprüfung nur dann durch Nichtanwälte erfolgen, wenn es sich um eine nach § 5 RDG zulässige Nebenleistung handelt.
3. Das RDG erlaubt allen Berufsgruppen Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen
Um den geänderten Anforderungen des Wirtschaftslebens gerecht zu werden, erweitert § 5 Abs. 1 RDG die Möglichkeit, im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit Rechtsdienstleistungen zu erbringen.
Rechtsdienstleistungen sind künftig immer dann zulässig, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.
Voraussetzung ist, dass die Tätigkeit eine zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehörige Nebenleistung darstellt. Die Rechtsdienstleistung darf also nach ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nicht im Mittelpunkt des Leistungsangebots stehen und muss zum jeweiligen Berufsbild gehören.
4. Das RDG erlaubt unentgeltliche Rechtsdienstleistungen
§ 6 RDG erklärt die unentgeltliche Rechtsdienstleistung grundsätzlich für zulässig:
Rechtsdienstleistungen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen, sollen künftig erlaubt sein.
Das betrifft einerseits die Rechtsberatung im Familien- und Freundeskreis und begünstigt andererseits die altruistische, karitative Rechtsberatung. Der Begriff der Unentgeltlichkeit wird enger als im Bürgerlichen Recht definiert. „Kostenlose“ Serviceangebote (etwa die von einer Bank für den – potentiellen – Kunden kostenlos und unverbindlich angebotene Testamentsberatung) sind danach nicht unentgeltlich im Sinne des RDG, weil sie im Zusammenhang mit dem entgeltlichen Geschäft stehen, für das geworben werden soll.
Werden z. B. in einem Verein oder in sozialen Einrichtungen unentgeltlich Rechtsdienstleistungen angeboten, muss die Qualität der Rechtsdienstleistung dadurch sicher gestellt sein, dass eine juristisch qualifizierte Person daran beteiligt wird. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Rechtsdienstleistung unter Anleitung einer Person erbracht wird, die beide Staatsexamen bestanden hat. Die vor Ort beratende Person muss entsprechend geschult und fortgebildet werden, zudem muss die Möglichkeit bestehen, zur Not in einem konkreten Fall auf die besonderen juristischen Kenntnisse der anleitenden Person zurückgreifen zu können.
Zum Schutz der Rechtsuchenden ist es möglich, Personen oder Einrichtungen, die außerhalb des Familien- und Bekanntenkreises dauerhaft unqualifizierten Rechtsrat erteilen, die unentgeltliche Rechtsdienstleistung zu untersagen.
5. Das RDG ermöglicht allen Vereinen die rechtliche Beratung ihrer Mitglieder
Während nach bislang geltendem Recht nur berufsständische und berufsstandsähnliche Vereinigungen ihre Mitglieder rechtlich beraten durften, ist dies künftig grundsätzlich nach § 7 RDG jeder Vereinigung erlaubt. Dies betrifft etwa die großen Mitgliedervereine wie beispielsweise Automobilclubs.
Allerdings dürfen die Rechtsdienstleistungen auch weiterhin nicht Hauptzweck einer Vereinigung sein. Außerdem muss eine sachgerechte Mitgliederberatung gewährleistet sein. Dies wird vor allem dadurch sicher gestellt , dass eine juristisch qualifizierte Person an der Beratung beteiligt sein und die Institution personell, sachlich und finanziell angemessen ausgestattet sein muss. Auch Vereinen, die dauerhaft unqualifizierten Rechtsrat erteilen, kann die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen untersagt werden.
6. Das RDG reglementiert nur das Forderungsinkasso und nicht den Forderungskauf
Wie bisher fällt das gesamte klassische Inkassogeschäft unter den gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt. Will also jemand eine Forderung nur zur Einziehung erwerben, ohne das wirtschaftliche Risiko zu übernehmen (Forderungsinkasso), muss er sich bei der Landesjustizverwaltung registrieren lassen. Der Vollerwerb einer Forderung (Forderungskauf) ist demgegenüber auch ohne eine Inkassoregistrierung zulässig. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Forderungen gerade im heutigen Wirtschaftsleben schnell und leicht übertragbar sein und grundsätzlich auch als Refinanzierungsinstrument zur Verfügung stehen müssen.
Einem besonderen Schutzbedürfnis des Schuldners wird dabei durch die gesetzliche Regelung von Zustimmungserfordernissen Rechnung getragen, wie sie das neue Recht nunmehr auch zur Abtretbarkeit anwaltlicher Honorarforderungen vorsieht. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können ihre Honorarforderungen zu Einziehungszwecken abtreten oder an Dritte veräußern, wenn der Mandant der Abtretung nach vorheriger Aufklärung ausdrücklich schriftlich zugestimmt hat. Damit können künftig nach dem Vorbild der ärztlichen und zahnärztlichen Verrechnungsstellen auch anwaltliche Verrechnungsstellen tätig werden.
7. Die Regelungen über die Prozessvertretung vor Gericht werden in allen Verfahrensordnungen aneinander angeglichen
Anders als das Rechtsberatungsgesetz beschränkt sich das RDG auf die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Daher werden die einzelnen Verfahrensordnungen (ZPO, FGG, ArbGG, VwGO, SGG, FGO) um Regelungen darüber ergänzt, wer wen in welchen gerichtlichen Verfahren vertreten kann. Zu diesem Zweck werden die bisher uneinheitlichen Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen einander so weit wie möglich angeglichen.
Die Vertretungsbefugnis im Zivil-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsprozess wird dabei nicht in demselben Umfang freigegeben wie bei der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung. Die Kenntnisse, die erforderlich sind, um einen Gerichtsprozess sachgerecht zu führen, sowie der Schutz der Gerichte erfordern und rechtfertigen stärkere Einschränkungen als im außergerichtlichen Bereich.
Unverändert muss sich ein Mandat in bestimmten Gerichtsverfahren (z. B. vor den Bundesgerichten, in den meisten Berufungsverfahren, in zivilrechtlichen Prozessen vor dem Landgericht und in bestimmten familiengerichtlichen Verfahren) durch einen Anwalt vertreten lassen.
Die entgeltliche professionelle Vertretung soll grundsätzlich weiterhin durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgen. Wer andere beruflich vor Gericht vertritt, muss zum Schutz des Vertretenen bestimmten Qualifikationsanforderungen genügen. Deshalb lässt die gesetzliche Neuregelung in allen Gerichtsverfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht, neben der Vertretung durch Rechtsanwälte grundsätzlich nur die Vertretung
* durch Beschäftigte der Prozesspartei,
* durch unentgeltlich tätige Familienangehörige der Prozesspartei,
* durch unentgeltlich tätige Volljuristen oder
* durch unentgeltlich tätige Streitgenossen
zu. Registrierte Inkassounternehmen dürfen künftig das gerichtliche Mahnverfahren betreiben; ihre Vergütung für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren ist dabei zum Schutz der Schuldner nur bis zu einem Betrag von 25,00 EUR erstattungsfähig. Personen, die nach den neuen Regelungen nicht zur Prozessvertretung zugelassen sind, können vom Gericht künftig als Beistand in der Gerichtsverhandlung zugelassen werden, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht.
In steuerrechtlichen Angelegenheiten bleiben die Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertretungsbefugt. Auch die bereits nach bislang geltendem Recht bestehenden Vertretungsbefugnisse für Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände und Rentenberater werden übernommen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren werden die Befugnisse der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften auf die Vertretung vor dem Bundesarbeitsgericht ausgeweitet.
Quelle: Bundesjustizministerium