In dem vom VGH Baden-Württemberb am 18.07.2017 entschiedenen Verfahren (10 S 1216/17) stellte das Landratsamt im Februar 2017 fest, dass eine vom Antragsteller am 01.08.2011 in Polen erworbene Fahrerlaubnis der Klassen A, B, C und T keine Fahrberechtigung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland begründe. Die Fahrerlaubnis habe der Antragsteller – der seine deutsche Fahrerlaubnis nach einer Entziehung im Jahr 2006 wegen Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr unter Amphetamineinfluss nie wiedererlangt hat – durch Umtausch einer ungarischen Fahrerlaubnis vom 11.09.2008 erworben, die ihrerseits aus der Umschreibung eines gefälschten russischen Führerscheins vom 22.07.1986 resultiere, ohne dass der Antragsteller in Ungarn oder Polen eine Befähigungsprüfung habe ablegen müssen.
Das Verwaltungsgericht hatte den Eilantrag des Betroffenen hiergegen abgelehnt. Die hiergegen erghobene Beschwerde wies der VGH ebenfalls ab und stellte folgenden Leitsatz auf:
Seine Entscheidung begründet der VGH u.a. wie folgt:
[…] Der Senat ist wie das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass die behördliche Feststellung ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV findet.Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland aufgrund einer gültigen EU-Fahrerlaubnis (§ 28 Abs. 1 Satz 1 FeV) nicht für Inhaber einer solchen, die auf Grund eines gefälschten Führerscheins eines Drittstaates erteilt wurde. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV kann die Behörde in einem solchen Fall einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen.
Nach Überzeugung des Senats nimmt § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV nicht nur solche EU-Fahrerlaubnisse vom Grundsatz des § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV aus, die in der Folge eines (ersten) Umtauschs eines gefälschten Führerscheins eines Drittstaates von einem EU-Mitgliedstaat erteilt worden sind. Soweit diese (erste) EU-Fahrerlaubnis ihrerseits in eine EU-Fahrerlaubnis eines weiteren EU-Mitgliedstaates umgetauscht wird, erfasst § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV vielmehr grundsätzlich auch diese (zweite) EU-Fahrerlaubnis sowie auch alle sich aus etwaigen nachfolgenden Umtauschvorgängen ergebenden weiteren EU-Fahrerlaubnisse.
Der Wortlaut der Vorschrift steht einer solchen Annahme – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht entgegen. Mit der Präposition „aufgrund“ wird lediglich das Erfordernis einer kausalen Verknüpfung zwischen dem gefälschten Drittstaatsführerschein und einer EU-Fahrerlaubnis zum Ausdruck gebracht. Soweit weitere sich aus nachfolgenden Umtauschvorgängen ergebende EU-Fahrerlaubnisse ausweislich der Angaben in den Feldern 10 und 12 der Führerscheine auf die ursprüngliche Fälschung zurückgehen, weisen auch sie einen unmittelbaren kausalen Konnex mit dem gefälschten Führerschein des Drittstaates auf. Dass eine solche Auslegung auch vom Willen des Verordnungsgebers gedeckt ist, lässt sich der amtlichen Begründung entnehmen, der zufolge EU-Fahrerlaubnisse, die auf Grund eines gefälschten Führerscheins umgetauscht wurden, „generell“, mithin in umfassender Weise, nicht anerkannt werden sollen (vgl. BR-Drs. 245/12, S. 28). Für eine auch weitere Umtauschvorgänge erfassende Auslegung spricht zudem entscheidend der Sinn und Zweck der Norm. Mit ihr sollen bestimmte Erscheinungsformen des die Verkehrssicherheit in der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigenden Missbrauchs der in Art. 2 Abs. 1 der RL 2006/126/EG (sog. Dritte EU-Führerscheinrichtlinie) statuierten grundsätzlichen Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der von anderen EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnisse „ohne jede Formalität“ (so EuGH, Urteile vom 01.03.2012 – C-467/10, Akyüz – NJW 2012, 1341 sowie vom 26.04.2012 – C-419/10, Hofmann – NJW 2012, 1935) bekämpft werden (vgl. auch BR-Drs. 245/12, S. 1). Gerade der Umtausch von – je nach Drittstaat oft ohne großen Aufwand erhältlichen – gefälschten Drittstaatsführerscheinen in EU-Fahrerlaubnisse birgt die erhebliche Gefahr, dass Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnehmen, die nie eine Fahrerlaubnisprüfung bestanden haben bzw. – beispielsweise aufgrund von Betäubungsmittelkonsum – ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Dieser auf die Abwehr erheblicher Gefahren zielende Zweck der Vorschrift würde aber konterkariert, wollte man von ihr lediglich den ersten Umtausch eines gefälschten Drittstaatsführerscheins in eine EU-Fahrerlaubnis erfasst sehen. Die Umgehung der Vorschrift wäre durch eine solche Auslegung geradezu vorprogrammiert, weil es Besitzern eines gefälschten Drittstaatsführerscheins ermöglicht würde, diesen nach einem ersten Umtausch in eine EU-Fahrerlaubnis durch einen zweiten Umtausch in eine dann unangreifbare Fahrberechtigung zu verwandeln.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die vom Senat angenommene Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV nicht von deren unionsrechtlicher Ermächtigung in Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG gedeckt sein könnte. Auch der Antragsteller macht dies nicht geltend; er beruft sich lediglich auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in Art. 2 Abs. 1 der RL 2006/126/EG, übersieht dabei aber, dass dieser Grundsatz auch nach der Richtlinie nicht ausnahmslos gilt.
Verlegt nach Umtausch eines von einem Drittland ausgestellten Führerscheins gegen einen EG-Muster-Führerschein der Inhaber dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, so braucht dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gemäß Artikel 2 nicht anzuwenden (vgl. Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG). Die Vorschrift trägt ersichtlich dem Umstand Rechnung, dass die Voraussetzungen des Umtauschs eines Drittstaatsführerscheins in eine EU-Fahrerlaubnis keinen umfassend harmonisierten unionsrechtlichen Vorgaben unterliegen. Vielmehr überlässt es das Unionsrecht im Wesentlichen dem jeweiligen Mitgliedstaat, ob er in seinem Hoheitsgebiet die Gültigkeit eines Drittstaatsführerscheins anerkennt, soweit er den Umtausch im EG-Muster-Führerschein vermerkt (vgl. Art. 11 Abs. 6 UAbs. 1 der RL 2006/126/EG) und der im Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Behörden des umtauschenden Mitgliedstaates ausgehändigt wird (vgl. Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 1 der RL 2006/126/EG). Weil aber nach dem Geist der Führerscheinrichtlinie die gegenseitige Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen „ohne jede Formalität“ nur soweit in Betracht kommt, wie die Erteilungsvoraussetzungen unionsweit einem einheitlichen Standard unterliegen (vgl. zur ähnlichen Lage bei der Befristung von Fahrerlaubnissen jüngst Senatsurteil vom 27.06.2017 – 10 S 1716/15 – juris), eröffnet Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG – gewissermaßen als Kehrseite der fehlenden Harmonisierung der Voraussetzungen der Anerkennung von Drittstaatsführerscheinen – den anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen aufgrund eines Drittstaatsführerscheins ausgestellten EU-Führerschein (bzw. die darin dokumentierte EU-Fahrerlaubnis) in Ausnahme zu Art. 2 Abs. 1 RL 2006/126/EG nicht anzuerkennen. Es ist danach im Wesentlichen sowohl Sache jedes einzelnen Mitgliedstaates, ob er Drittstaatsführerscheine in EU-Fahrerlaubnisse umtauscht, als auch ob er auf Grundlage von Drittstaatsführerscheinen von anderen Mitgliedstaaten erteilte EU-Fahrerlaubnisse anerkennt.
An dieser den Mitgliedstaaten überlassenen Entscheidungskompetenz ändert sich auch dann nichts, wenn eine vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nicht erfasste EU-Fahrerlaubnis nochmals, diesmal in die Fahrerlaubnis eines weiteren EU-Mitgliedstaates, umgetauscht wird. Der Art. 11 Abs. 6 der RL 2006/126/EG tragende Gedanke des Unionsgesetzgebers, dass es im Wesentlichen Sache des jeweiligen Mitgliedstaates sein soll, ob er einen Führerschein eines Drittstaates bzw. eine auf Grundlage eines solchen Führerscheins erteilte EU-Fahrerlaubnis eines anderen Mitgliedstaates anerkennt, würde seiner praktischen Wirksamkeit (vgl. hierzu als Grundsatz der Auslegung des Unionsrechts zuletzt EuGH, Urteil vom 21.12.2016 – C-201/15 – NJW 2017, 1723) weitgehend beraubt, wollte man Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 1 der RL 2006/126/EG in einer Weise verstehen, die der Möglichkeit einer Umgehung des Gedankens gewissermaßen Tür und Tor öffnet. Für eine gerade solche Umgehungen ausschließende Auslegung von Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 1 der RL 2006/126/EG spricht zudem, dass so den Mitgliedstaaten ermöglicht wird, durch Regelungen wie § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV möglichst effektiv Gefährdungen des Straßenverkehrs durch die Verwendung gefälschter Führerscheine abzuwehren und damit einem weiteren vom Unionsgesetzgeber mit der Schaffung der Führerscheinrichtlinie verfolgten Zweck (vgl. Erwägungsgründe 3 und 7, Art. 1 Abs. 2 und Art. 3 sowie Anhang I der RL 2006/126/EG) Rechnung zu tragen.
Die hier vertretene Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV steht auch nicht im Widerspruch zu der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung; alle genannten Entscheidungen sind zur vorliegenden Problematik der Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV bzw. Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG – ebenso wie die Beschwerdebegründung – unergiebig. Sie befassen sich mit der Frage, ob nach Maßgabe des Unionsrechts beim Umtausch einer EU-Fahrerlaubnis im umtauschenden Mitgliedstaat eine neue materielle Berechtigung erteilt wird oder ob ein solcher Umtausch allein das Ausweisdokument betrifft (offen lassend mit Tendenz für Erwerb einer neuen EU-Fahrerlaubnis BVerwG, Urteil vom 27.09.2012 a. a. O. sowie BayVGH, Urteil vom 28.02.2013 a. a. O. Rn. 29) sowie – in verschiedenen Variationen – mit der Frage, ob – in anderen Fällen als dem in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 FeV bzw. Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 2 der RL 2006/126/EG geregelten – „Unregelmäßigkeiten“ einer EU-Fahrerlaubnis (vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2011 – C-224/10, Apelt – juris sowie Beschluss vom 22.11.2011 – C-590/10, Köppl – juris) auch noch nach ihrem prüfungsfreien Umtausch in eine (weitere) EU-Fahrerlaubnis zu berücksichtigen sind, was – anders als dies der Antragsteller meint – von der Rechtsprechung ganz überwiegend bejaht wird (vgl. neben dem vom Antragsteller zitierten Urteil des BayVGH, Urteil vom 28.02.2013 a. a. O. Rn. 29: BVerwG, Beschluss vom 08.09.2011 – 3 B 19.11 – ZfSch 2012, 597; Senatsbeschluss vom 11.09.2014 – 10 S 817/14 – NJW 2014, 3739; BayVGH, Beschlüsse vom 24.11.2014 – 11 ZB 14.1193 – BayVBl 2015, 419 sowie vom 08.01.2016 – 11 CS 15.2485 – juris sowie Urteil vom 21.03.2017 – 11 B 16.2007 – juris; OVG Saarland, Beschluss vom 10.03.2017 – 1 B 357/16 – juris; a. A. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 28 FeV Rn. 23; OLG Stuttgart, Urteil vom 05.02.2015 a. a. O.; Thüringer OLG, Beschluss vom 08.07.2013 a. a. O. unter Hinweis auf den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz).