Umstritten ist bislang, ob die landläufig als Abwrackprämie bezeichnete Umweltprämie die in 2009 für das Verschrotten eine Altfahrzeuges bei Neukauf eines Fahrzeuges gezahlt wurde, bei der Berechnung des Grundsicherungsanspruches nach dem SGB II (ALG II) oder auch nach dem SGB XII als Einkommen anzurechnen, oder ob diese als zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Die Rechtsprechung der Landessozialgerichte ist uneinheitlich: für die Anrechnung als Einkommen ist das LSG NRW (Beschluss vom 03.07.2009, L 20 B 59/09 AS ER). Gegen eine Anrechnung als Einkommen ist das LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 06.10.2009, L 5 As 265/09 B ER).
Die Bundesregierung spricht sich in der Antwort auf eine kleine Anfrage aus (BTDrs. 16/14156). Gegen die Anrechnung ist in der Literatur Brühl in LPK SGB II, § 11 Rn. 66.
Das LSG Bayern hat diese Fragein seiner Entscheidung vom 21.12.2009 in dem Verfahren L 7 AS 831/09 B ER auf einstweiligen Rechtsschutz letztendlich offen gelassen, jedoch unter anderem folgendes ausgeführt:
Rechtsgrundlage der Umweltprämie ist die Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20.02.2009 mit Änderungen der Richtlinie vom 17.03.2009 und 26.06.2009 (Bundesanzeiger S. 835, 1056, 1144). Aus wirtschafts- und umweltpolitischen Motiven wird eine Zuwendung von 2500,- Euro gewährt, wenn ein alter Personenkraftwagen verschrottet wird und ein Neufahrzeug bestimmter Emissionsgüte erworben wird. Die Zuwendung wird nach Prüfung der Voraussetzungen auf ein vom Antragsteller angegebenes Konto ausgezahlt.
Als Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzurechnen.
Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt sind.
Das BSG hat im Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 19/07 R (dort Rn. 14) zur Anrechnung der Eigenheimzulage (vor dem 01.10.2005 und damit vor Inkrafttreten von § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V) ausgeführt:
„§ 11 Abs 3 Nr. 1a SGB II soll einerseits bewirken, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung im Rahmen des SGB II [richtig: nicht] verfehlt wird. Andererseits soll die Vorschrift ihre Erbringung für einen identischen Zweck, also eine Doppelleistung verhindern. Es kommt demnach darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient.“
Das BSG führte aus, dass das Bundesverwaltungsgericht die Eigenheimzulage als auf die Sozialhilfe anrechenbares Einkommen gewertet habe, weil sie unabhängig davon gewährt werde, ob sie tatsächlich zur Finanzierung des Eigenheimes verwendet werde und deren konkrete Verwendung im Belieben des Empfängers stehe. Dies hat das BSG in der genannten Entscheidung nicht auf das SGB II übertragen. § 11 Abs. 3 SGB II erfordere keinen ausdrücklich im Gesetz genannten Zweck. Zweck der Eigenheimzulage sei es nicht, den allgemeinen Lebensunterhalt zu sichern, sondern Haushalten mit geringem Einkommen den Zugang zum Wohneigentum zu eröffnen oder zu erleichtern. Es entspreche auch dem Ziel des SGB II, eine möglichst zügige Wiedereingliederung des Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten und dabei einen Ausverkauf des während
vorangegangener Erwerbstätigkeit mit staatlicher Förderung erworbenen Vermögens zu vermeiden. Das im Hinblick auf den Bezug einer staatlichen Fürsorgeleistung angemessene Vermögen solle vielmehr erhalten bleiben. Die angemessene Immobilie sei nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II unter Schutz gestellt (a.a.O. Rn. 16).Diese Rechtsprechung auf die Umweltprämie übertragen bedeutet:
Mit dem Zweck von § 11 Abs. 3 SGB II ist die Nichtanrechnung der Umweltprämie vereinbar. Durch Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen, würde die besondere Zweckbestimmung der Umweltprämie verfehlt werden. Die Umweltprämie soll einen finanziellen Anreiz dafür schaffen, dass „außerplanmäßig“ ein neuer PKW erworben wird. Würde die Umweltprämie angerechnet werden, wäre der Anreiz hinfällig, und der Hilfebedürftige könnte von vornherein auf die Umweltprämie verzichten. Die Erbringung von Doppelleistungen ist nicht zu befürchten: Die Umweltprämie ist ein Zuschuss zum Erwerb eines neuen PKW – dafür gibt es im SGB II keine Leistungen.
Die 2500,- Euro der Umweltprämie können wie die Eigenheimzulage für beliebige Zwecke eingesetzt werden. Bei der Eigenheimzulage ist die zweckentsprechende Verwendung, also die Verwendung für das Förderobjekt, Voraussetzung der Nichtberücksichtigung (BSG a.a.O. Rn. 19). Dieses Prinzip gilt auch für die Umweltprämie, d. h. die zweckentsprechende Verwendung muss nachgewiesen werden. Die Umweltprämie wurde hier nachweislich für den Autokauf eingesetzt.
Unschädlich ist weiterhin, dass das neu angeschaffte Kraftfahrzeug einen Wert von 9000,- Euro hat. Wie das angemessene Eigenheim (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II) ist auch das angemessene Kraftfahrzeug (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II) geschütztes Vermögen. Auch wenn die Wertgrenze für ein angemessenes Kraftfahrzeug bei 7500,- Euro liegt (BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 66/06 R, dort Rn. 13), kann dieser Wert unter Anrechnung auf den Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II überschritten werden (BSG a.a.O. Rn. 18). Grundsätzlich kann also auch mit Hilfe der Umweltprämie ein Neuwagen erworben werden, der dann geschütztes Vermögen ist. Das angemessene Kraftfahrzeug wird im SGB II geschützt, weil es für den Weg zu einer künftigen Arbeitsstelle eingesetzt werden kann (BSG a.a.O. Rn. 14). Ob auch unter diesem Aspekt eine schützenswerte Position, vergleichbar dem Erhalt einer vor dem Leistungsbezug erworbenen Immobilie besteht, musste der Senat in diesem Verfahren nicht abschließend entscheiden.
Die Lage der Beschwerdeführerin wird durch die Umweltprämie nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Abzustellen ist darauf, ob sich der Hilfebedarf durch den Zufluss deutlich verringert (Mecke in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 40). Dies ist hier angesichts der konkreten Situation – wie sie sich dem Senat im Eilverfahren darstellt – nicht der Fall.
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten der Sozialgerichtsbarkeit im Volltext abgerufen werden.