Nach einer Entscheidung des SG Detmold in dem Verfahren S 8 AS 37/05 vom 16.02.2006 sind angemessene Tilgungsraten für die selbst genutzte Eigentumswohnung als Kosten der Unterkunft bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen.
Gegen diese Entscheidung wurde jedoch offensichtlich Rechtsmittel eingelegt. Das Verfahren ist beim LSG Nordrhein-Westfalen zu Az. L 20 AS 39/06 anhängig.
Seine Entscheidung hat das Sozialgericht wie folgt begründet:
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Klagegegenstand zulässig konkretisiert und hier zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nur um die Übernahme der Tilgungsraten der selbst genutzten Eigentumswohnung geht. Eine Klageänderung liegt hierin nicht.
Der angefochtene Bescheid vom 15.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte hat zu Unrecht dem Kläger Leistungen zur Bestreitung der Kosten für die Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 SGB II für die monatlichen Tilgungsraten der selbst genutzten Eigentumswohnung versagt.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Übernahme der Tilgungsraten für die selbst genutzte Wohnung in angemessener Höhe aus § 22 Abs. 1 SGB II.
§ 22 Abs. 1 SGB II regelt die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für Leistungsempfänger nach dem SGB II. Nach dieser Vorschrift sind die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit diese angemessen sind.
Daraus ergibt sich einerseits, dass nur tatsächlich anfallende Kosten berücksichtigt werden können. Zudem wird geregelt, dass diese Aufwendungen nur bis zur Angemessenheitsgrenze durch den Leistungsträger übernommen werden können.
Als tatsächliche Kosten der Unterkunft wird regelmäßig der Kaltmietzins berücksichtigt. Bei Eigenheimen sind die notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind, von der Allgemeinheit zu tragen. Hierunter fallen regelmäßig Schuldzinsen, Grundsteuer und dauernde Lasten, Steuern auf Grundbesitz, sonstige öffentliche Ausgaben und Erbbauszinsen (vgl. Eicher/Spellbrink-Lang, § 22, Randnummer 26).
Als tatsächliche Kosten für die derzeit vom Kläger bewohnte Unterkunft fallen auch Tilgungsraten an. Mit diesen Tilgungsraten wird der seinerzeit aufgenommene Finzierungskredit zum Erwerb des Wohneigentums monatlich abgeschmolzen, wie im Tilgungsplan aufgeführt. Ohne die Tilgungsraten ist das Wohneigentum nicht zu halten, so dass die Tilgungsraten als notwendige Ausgaben tatsächlich anfallen.
Nach Auffassung der Kammer fallen die Tilgungsraten damit als monatliche Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II an.
Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass die Frage, ob unter die Norm des § 22 Abs. 1 SGB II auch Tilgungsraten bei selbst genutzten Wohneigentum fallen, in der juristischen Literatur unterschiedlich beantwortet wird.
Zwar lässt der Wortlaut des § 22 Abs. 1 SGB II beide Auslegungen zu. Diese Norm nennt lediglich die tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Eine genauere Definition, was darunter zu verstehen ist, wird nicht gegeben. Damit sind grundsätzlich auch die Tilgungsraten erfasst, da diese Aufwendungen zum Erhalt der Unterkunft anfallen und erforderlich sind. Der Gesetzgeber kannte zwar die engere Auslegung der Verwaltungsgerichte (z.B. Bundesverwaltungsgericht Entscheidung vom 10.09.1992, AZ 5 C 25/88) jedoch muss berücksichtigt werden, dass das SGB II in einem kurzen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet wurde. Zeit für eine alle Aspekte der bisherigen Rechtsprechung betrachtende Überprüfung der bisherigen Regelungen verblieb nicht. Den Gesetzesbegründungen sind jedenfalls keine Hinweise zu entnehmen.
Bei einer systematischen Betrachtung der Gesamtstruktur des SGB II fällt hingegen nach Auffassung der Kammer auf, dass der Gesetzgeber in den Regelungen, insbesondere zum geschützten Vermögen, weitreichende Schutzmechanismen eingebaut hat. Es ist also davon auszugehen, dass der Gesetzgeber verhindern will, dass Vermögenswerte schon während der Bedürftigkeit im Rahmen des SGB II aufgebraucht werden. Eine hohe Altersarmut soll vermieden werden. Zudem ist der besondere Schutz von Eigentumswerten gemäß Art. 14 Grundgesetz (GG) zu berücksichtigen.
Bei der systematischen Auslegung kann aufgrund der Grundrechtsbetroffenheit auch nicht entgegen gehalten werden, dass in den umliegenden Normen lediglich ein passiver Vermögensschutz betrieben wird. Zwar soll durch die Regelungen vermieden werden, dass bereits bestehende Vermögenswerte verringert werden. Aktive Hilfen zum Aufbau von dauerhaftem Vermögen werden sonst nicht gewährt. Bei der Übernahme der Tilgungsraten werden allerdings durch die Beklagte direkte Zahlungen an den Kläger geleistet, die Vermögen erst möglich machen und nicht nur schützen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm ist dies aber nicht gesetzeswidrig, es entspricht der Norm vielmehr. Denn Sinn und Zweck der Regelung in § 22 Abs. 1 SGB II ist, das Grundbedürfnis des Klägers auf Unterkunft zu sichern. Dabei macht es für die Bedürfnisbefriedigung keinen Unterschied, ob es sich dabei um eine Mietunterkunft oder ein Eigenheim handelt. Deswegen sind auch die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen. Zu den tatsächlich anfallenden Kosten gehören aber auch die Tilgungsraten. Ohne sie ist das Eigenheim nicht zu halten.
Es verstößt nach Auffassung der Kammer auch nicht gegen Sinn und Zweck der Norm, dass möglicherweise Vermögen bei dem Kläger durch die Übernahme der Tilgungszinsen aufgebaut wird. Ein Teil der Kommentierung sieht, entsprechend der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Bundesverwaltungsgericht Entscheidung vom 10.09.1992, AZ 5 C 25/88), in der Übernahme von Tilgungszinsen generell einen vom Gesetzgeber nicht gewollten Vermögensaufbau beim Leistungsempfänger (vgl. Juris PK-SGB II-Söhngen, § 22, Randnummer 25; Linhart/Adolf-Adolf, SGB II, § 22, Randnummer 6h; Löns-Herold-Tews, SGB 2, § 22, Randnummer 3; Remm-Schoch, SGB II, § 22, Randnummer 79). Dieser Sichtweise hat sich auch ein Teil der Sozialgerichtsbarkeit angeschlossen (SG Münster, Beschluss vom 12.09.2005, AZ S 5 AS 22/05 ER).
Demgegenüber vertritt die Kammer mit einem anderen Teil der Kommentierung die Auffassung, dass die Tilgungsraten dennoch zu übernehmen sind (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22, Randnummer 27 ff; Münder-Berlit, LPK-SGB II, § 22, Randnummer 21). Zwar wird der Umstand erkannt, dass so Vermögen bei dem Leistungsempfänger aufgebaut wird. Doch ist dem entgegen zu halten, dass es bei ansich angemessenen Aufwendungen keinen Unterschied macht, ob Vermögen beim Leistungsempfänger selbst oder bei einem etwaigen Vermieter gebildet wird.
Außerdem ist ein Grundprinzip des Leistungsrechts nach dem SGB II, den Leistungsempfänger unabhängig von staatlicher Hilfe zu machen. Dieses abstrakte Ziel ist nicht nur allgemein aus dem Regelungswerk des SGB II zu erkennen, sondern klar als Pflicht für die Leistungsempfänger ausgestaltet. So ist es in § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II geregelt. Unter gewissen Umständen, können Verstöße sogar mit Leistungskürzung nach § 31 SGB II geahndet werden. Das Ziel der Leistungsunabhängigkeit des Leistungsempfängers kann hier allerdings durch die sinnvolle Verwendung von bedarfsdeckenden Leistungen gefördert werden.
Höherrangige Prinzipien, insbesondere die wirtschaftliche Verwendung der Mittel, sind auch durch diese allgemeine Auslegung nicht verletzt. Die Tilgungsraten fallen ebenso bei einem Leistungsempfänger mit Eigenheim wie bei einem Leistungsempfänger in einer Mietwohnung an. Bei einer Mietwohnung geht dieser Betrag allerdings in den Mietzins mit ein und nutzt so dem Vermögensaufbau des Vermieters. Es macht für die Beklagte leistungsrechtlich keinen Unterschied, ob die Tilgungsraten dem Kläger oder einem Vermieter nutzen, denn die Kosten bleiben die gleichen. Die Mittel werden also nicht unwirtschaftlich eingesetzt.
Außerdem ist es wirtschaftlich, den Kläger in dem Eigenheim zu belassen, da die Kosten der Unterkunft nach Tilgung nur noch gering sein werden. Wirtschaftliche Aspekte werden aber auch an anderer Stelle im SGB II berücksichtigt. Der unwirtschaftlichen „Verschleuderung“ angesparten Vermögens soll durch die Regelungen im SGB II entgegengewirkt werden und ist von der Rechtsprechung insbesondere bei der Berücksichtigung von Vermögenswerten berücksichtigt worden. Vermögen ist nämlich dann nicht zur Vermeidung von Bedürftigkeit einzusetzen, wenn es nur auf einem offen- sichtlich unwirtschaftlichen Weg verwertet werden kann, vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II.
Die Entscheidung des Gerichts wurde im Wesentlichen auch von den Umständen dieses Einzelfalles beeinflusst (eine Einzelfallbetrachtung wurde auch in BVerwGE 48, 182, 184 ausdrücklich zugelassen). Immerhin sind hier die Tilgungsraten nur noch für einen geringen Zeitraum zu leisten (bis zum 01.11.2008). Zudem kann der Kläger aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr damit rechnen, noch einmal in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. Es macht somit nicht nur unter allgemeinen Gesichtspunkten Sinn, die Tilgungsraten in die Kosten der Unterkunft mit einzubeziehen, sondern ganz konkret für die Beklagte, die selbst bei einer vorsichtigen Prognose noch einige Jahre für den Kläger Leistungen zu erbringen hat. Gerade in diesem Fall der noch kurzen Laufzeit von Tilgungsraten bei fortgeschrittenem Alter des Klägers und schlechter Vermittelbarkeit, ist eine sinnvolle Auslegung des § 22 Abs. 1 SGB II nur in der Übernahme der Tilgungsraten zu sehen.
Allerdings ist insgesamt die Grenze der angemessenen Kosten zu berücksichtigen. Die Festlegung von Mietobergrenzen ist gerichtlich anerkannt und entspricht der Kommentierung. Diese Grundsätze sind auf diesen Fall zu übertragen. Es ist, um Ungleichbehandlungen mit Leistungsempfängern in einer Mietwohnung zu vermeiden, eine entsprechende Leistungsgrenze zu berücksichtigen.
Die Beklagte irrt hier, wenn Sie ausführt, sie könne Leistungen nicht „fiktiv“ berücksichtigen. Es ist hier nicht ein fiktiver Mietzins zu berücksichtigen. Vielmehr sind die konkreten Aufwendungen des Klägers für seine tatsächlich genutzte Unterkunft zugrunde zu legen. Und ebenso wie bei Mietaufwendungen sind die Kosten anhand der Angemessenheitsgrenze zu beurteilen und gegebenenfalls zu kürzen. Auch bei Mieten wird keine fiktive Miete berücksichtigt, sondern die konkrete Miete auf eine angemessene reduziert. So ist auch im Rahmen der Kosten der Unterkunft bei selbst genutztem Wohneigentum zu verfahren. Eine Gleichbehandlung ist somit ohne Schwierigkeit möglich.
Im Rahmen der Feststellung der Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II kann die Beklagte den Kläger auch nicht darauf verweisen, die Erträge aus der Veräußerung von nicht selbst genutztem Wohneigentum für die Entschuldung von selbst genutztem Wohneigentum zu verwenden.
Dem Kläger ist es einerseits selbst überlassen zu entscheiden, wie er seine privaten Vermögenswerte organisieren will. Auch diese Freiheit ist durch die Eigentumsgarantie geschützt. Die Beklagte hat nur die Kosten bis zur Angemessenheitsgrenze für die selbst genutzte Eigentumswohnung zu übernehmen. Die Verwendung dieser Mittel allerdings entziehen sich ihrer Einflussmöglichkeit. Dem Kläger kann und soll eine selbstständige Lebensführung mit Dispositionsfreiraum verbleiben. Dazu gehört auch die freie Mittelverwendung. Eine Grenze findet diese Freiheit nur in den Fällen, in denen der Leistungsempfänger seine Angelegenheiten nicht selbst angemessen regeln kann, vgl. § 22 Abs. 4 SGB II.
Zudem ist die Eigenverantwortung auch in § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II eindeutig als Ziel und Grundwert des SGB II ausgestaltet. Denn nur der eigenverantwortlich Handelnde wird dauerhaft in das Erwerbsleben zu integrieren sein und damit nachhaltig aus dem Leistungsbezug ausscheiden. Des Weiteren ist eine Vereinheitlichung von Lebensverhältnissen in der pluralistischen Realität zu vermeiden.
Andererseits ist das nicht selbst genutzte Wohneigentum zwar kein geschütztes Vermögen nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Es kann aber gleichwohl unter das geschützte Vermögen nach § 12 Abs. 2 SG II fallen. Die Beklagte kann folglich nur feststellen, ob ein Leistungsanspruch des Klägers aufgrund zu hohen Vermögens ausgeschlossen ist oder nicht. Ist das nicht der Fall, hat sie bedarfsentsprechend zu leisten. Bisher hat die Beklagte in dieser Hinsicht noch nicht ermittelt.
Die Kammer hatte nicht zu entscheiden, ob grundsätzlich ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II besteht, da die Beklagte hiervon bislang unstreitig ausgegangen ist. Die Feststellung von vorhandenem anrechenbarem Vermögen obliegt allerdings der Beklagten.
Die ENtscheidung kann im Volltext hier abgerufen werden.