In seiner Entscheidung vom 29. Mai 2006 hat das Sozialgericht Aachen sich in dem Verfahren S 11 AS 11/06 mit dem Anspruch auf Leistungen der Unterhunft und der Heizung nach dem SGB II und der Frage der Angemessenheit dieser Kosten befasst und folgendes ausgeführt:
Die Beteiligten streiten um Leistungen der Unterkunft (LdU) und der Heizung (LdH).
Die am 00.00.1967 geborene Klägerin bewohnt 2 Räume von (nach eigenen Angaben) insgesamt 30 qm Größe im Haus ihres Vaters; Küche und Bad werden gemeinsam genutzt. Nach Angaben der Klägerin im Juni 2004 beinhaltete die Gesamtmiete von 200.-Euro monatlich eine Vergütung für die Überlassung der Möbel (15.- Euro); Stromkosten (35.- Euro), Heizkosten (65.- Euro) und eine Vergütung für die Mitbenutzung von Bad, Küche und Trockner (40.- Euro). Ausweislich einer in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Mietbescheinigung vom 31.03.2006 beträgt die Gesamtmiete ab dem 01.04.2006: 238,59 Euro monatlich (einschließlich Vergütung für die Überlassung der Möbel 15.- Euro; Stromkosten 25.- Euro; Heizkosten 35.- Euro; verschiedene Umlagen 24,79 Euro; Feuerversicherung 8,80 Euro).
Ab dem 01.01.2005 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld II (Alg II) unter Berücksichtigung von LdU und LdH i.H.v. 200.- Euro monatlich. Auf den Fortzahlungsantrag vom 02.12.2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 05.12.2005 für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2006 Alg II i.H.v. monatlich 485,40 Euro. Sie führte aus, die LdH seien angesichts der Ausstattungsmerkmale des Hauses monatlich mit 28,40 Euro anzusetzen. Im Rahmen der LdU seien die aus der Regelleistung zu deckenden Stromkosten sowie die Kosten für Vollmöblierung und für die Mitbenutzung von Küche und Bad nicht berücksichtigungsfähig.
Auf den am 15.12.2005 erhobenen Widerspruch hin half die Beklagte mit Bescheid vom 30.12.2005 hinsichtlich der Kosten für die Mitbenutzung von Küche und Bad ab; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Sie führte aus, von der Gesamtmiete seien abzuziehen: 35.- Euro Stromkosten; 15.- Euro für Möblierung und 65.- Euro Heizkosten, so dass eine Kaltmiete i.H.v. 85.- Euro verbleibe. Bei der Berechnung der LdH sei die ungünstigste Wärmeklasse nach der nach Heizkostenverordnung (11,36 Euro/qm pro Jahr) zugrunde zu legen.
Hiergegen richtet sich die am 31.01.2006 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, sie habe darauf vertrauen können, dass die Beklagte die Kosten – wie zuvor – in voller Höhe übernehmen werde.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2005 zu verurteilen, ihr Leistungen der Unterkunft und Heizung in Höhe von 200.- Euro monatlich für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2006 sowie in Höhe von 238,59 Euro monatlich für die Zeit vom 01.04.2006 bis zum 30.06.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie keinen Anspruch auf höhere Leistungen hat.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) werden LdU und LdH in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Bereits begrifflich keine LdU sind die Aufwendungen für Strom sowie für Möblierung. Stromkosten sind (mit Ausnahme der Aufwendungen zum Betrieb einer Stromheizung) Teil der sog. Haushaltsenergie, von der Regelleistung (§ 20 SGB II) abgedeckt ist (LSG Hamburg, Beschluss vom 09.06.2005, L 5 B 71/05 ER AS; SG Dresden, Beschluss vom 01.06.2005 S 23 AS 212/05 ER; SG Köln, Beschluss vom 11.04.2005, S 22 AS 36/05 ER und Beschluss vom 08.04.2005, S 1 AS 7/05 ER). Die Gegenansicht (SG Mannheim, Urteil vom 03.05.2005, S 9 AS 507/05) führt letztlich zur Ausweitung des § 22 SGB II auf sämtliche Bedürfnisse, die üblicherweise in der Wohnung befriedigt werden (Ernährung, Körperpflege etc), was jedoch der Konzeption der §§ 20, 22 SGB II widerspricht. Aufwendungen für die Möblierung sind auch bei der Anmietung möblierten Wohnraums kein Teil der Unterkunftskosten i.S.d. § 22 SGB II. Möblierung und Unterkunft sind bereits begrifflich verschiedene Dinge. Im Übrigen enthält die Regelleistung (§ 20 SGB II) eine Pauschale zur Erhaltung von Hausrat (wozu auch Möbel gehören, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.11.2005, L 19 B 80/05 AS ER). Nichts anderes ergibt sich angesichts § 23 Abs. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, insbesondere kann der (anteilige) Mietzins für Möbel nicht als („abgezahlte“) Erstaustattung im Sinne letzterer Vorschrift angesehen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2005, L 9 B 23/05 AS ER).
Ein höherer LdU-Anspruch ergibt sich auch nicht angesichts der (in der Mietbescheinigung vom 01.04.2006 erstmals aufgeführten) Nebenkosten (Umlagen für Wasserverbrauch, Kanalgebühren und Oberflächenwasser, Abfallbeseitigung, Schornsteinfeger und Feuerversicherung). Teil der LdU sind grundsätzlich auch diejenigen Nebenkosten, die (wie Abfallgebühren, Kosten der Treppenhausreinigung etc.) für den Hilfebedürftigen unvermeidbar sind und/oder von denen er sich nicht vertraglich freizeichnen kann (BVerwG NJW 2002, 1284). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass diese Nebenkosten überhaupt erstmals in der Mietbescheinigung vom 31.03.2006 (betreffend den Zeitraum ab dem 01.04.2006) aufgeführt sind, während an derselben Stelle keine Kosten für die Mitbenutzung gemeinsamer Einrichtungen mehr angegeben werden, so dass eine Kaltmiete von 130.- Euro monatlich (gegenüber zuvor 85.- Euro) verbleibt. Angesichts dieser auffälligen Veränderungen hat die Kammer den Eindruck, dass der Vermieter versucht, gegenüber der psychisch kranken Klägerin willkürlich die Gesamtmiete zu ändern, zumal ein schriftlicher Mietvertrag nicht existiert. Es ist jedoch Sache der durch einen Berufsbetreuer vertretenen Klägerin, sich gegen derartige einseitige Vertragsänderungen zur Wehr zu setzen. Jedenfalls können derlei Versuche einer willkürlichen Vertragsänderung nicht zu Lasten des Grundsicherungsträgers und somit der Allgemeinheit gehen.
Ein Anspruch auf höhere LdH besteht ebenfalls nicht. Die zunächst in Ansatz gebrachten monatlichen Heizkosten von 65.- Euro sind unangemessen. Unter Zugrundelegung des (ortsnächsten) B Heizspiegels für 2003 sind Heizkosten in dieser Höhe als außerordentlich hoch anzusehen. Der Wert, der sich für die Unterkunft der Klägerin ergibt, liegt bei 26 Euro/qm im Jahr und somit bei 185 Prozent des Wertes, den der Heizspiegel unter Zugrundelgung der aufwändigsten Heizverhältnisse als extrem hoch ausweist (14 Euro/qm im Jahr). Angesichts der Sondersituation der Klägerin, die mit ihrem Vater offenbar nicht über Heizkosten abrechnet, erachtet das Gericht es für zulässig, die Heizkosten zunächst mit dem von der Beklagten für zutreffend gehaltenen Betrag anzusetzen, zumal dieser ebenfalls auf empirischen Werten beruht. Es bleibt der Klägerin unbenommen, nach der jeweiligen Jahresabrechnung höhere Aufwendungen gegenüber der Beklagten nachzuweisen.
Auch für die Zeit ab dem 01.04.2006 sind Heizkosten (zunächst) nur i.H.v. 28,40 Euro monatlich zu übernehmen. Angesichts der Mietbescheinigung vom 31.03.2006 gilt das zur den LdU Gesagte entsprechend. Die Reduzierung der monatlichen Heizkostenvorauszahlung von 65.- Euro auf 35.- Euro (und somit um etwa 45 Prozent) lässt ebenfalls auf den Versuch einer einseitigen und willkürlichen Festsetzung seitens des Vermieters schließen, die nicht zu Lasten des Grundsicherungsträgers und somit der Allgemeinheit gehen darf.
Der Verweis der Klägerin auf Vertrauensschutz geht fehl. Der Bescheid vom 05.12.2005 hat nicht etwa einen vorherigen Leistungsbescheid aufgehoben, weswegen die speziellen Voraussetzungen der §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht zu beachten waren. Vielmehr handelt es sich um die Entscheidung bezüglich eines neuen Bewilligungsabschnitts, bei der sämtliche Leistungsvoraussetzungen neu zu prüfen waren. Auch eines vorherigen Hinweises nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II bedurfte es nicht. Für die Aufwendungen für Strom und Möblierung ergibt sich dies bereits daraus, dass sie überhaupt nicht unter § 22 SGB II fallen. Hinsichtlich der LdH ergibt sich dies aus der besonderen Situation der Klägerin als Mieterin ihres Vaters, der es unbenommen bleibt, nach der jeweiligen Jahresabrechnung höhere Aufwendungen nachzuweisen. Im Übrigen bestätigt die Anpassung der Heizkostenvorauszahlung von monatlich 65.- Euro auf 35.- Euro zum 01.04.2006, dass es sich bei den angenommenen Werten offenbar um mehr oder weniger grobe Schätzungen gehandelt hat und eine Anpassung ohne größere Schwierigkeiten möglich war und ist.
Die Entscheidung kann im Voltext hier abgerufen werden.